Stuhl-Körper, Besitzerinnen

Katalogtext, Judith Zillich, 2000


Thema dieser Serie ist das Sitzen des Körpers und das Verhältnis der Figur zu ihrem Sitzgerät – in dieser Reihe ein gekürzter Jugendstilstuhl mit längsgerichteten Stäben – wird variiert: der Körper vom Stuhl zum Ornament geschnitten, auf nackter Leinwand, im Blickfang, ersoffen in Terpentin oder in grüner Farbe, gekippt und schließlich im Abflug …

Mich interessiert vor allem Haut als Farbträger von Malerei, die sich hier in einem Dialog von grünen, violetten und orangen Farbwerten formuliert. Die Haut bildet in einem logischen Farbschema den Körper, der isoliert von seiner Umwelt existiert. Die aus der Haut extrahierten Grün- und Blauwerte beschreiben als einfärbige Flächen sowohl den Raum als auch das im Raum befindliche Möbel, den Stuhl. Der Stuhl bildet einerseits mit seiner Lehne einen innerhalb des Bildes gerahmten Ausschnitt, der den Blick des Betrachters anzieht, arbeitet sich aber andererseits als verdeckendes Ornament in den Körper ein. Durch die Einarbeitung der Struktur der Stuhllehne und deren Schatten verselbständigen sich Teile des Körpers, und der Körper selbst wird zu einem Ornament.

Den Eindruck von Räumlichkeit vermittelt nur die gemalte Haut, die wie der Inhalt eines Sandwiches zwischen Stuhl und Hintergrund gequetscht ist. Da Vorder- und Hintergrund sich auf eine Farbfläche reduzieren, scheint die Stuhllehne den Körper stellenweise zu durchschneiden.

In dieser Serie verzichte ich auf Gesichter. Der vom Bildrand angeschnittene Kopf bietet jedoch Platz für eine dunkle Fläche von Haaren, in Farbe und Struktur ein Fremdkörper und als solcher ein wichtiger Akzent im Bild.

(In dieser, wie in allen Serien, gibt es kein Ausgangsbild und keinen Höhepunkt. Es geht um ein Ausloten von farblichen, formalen und inhaltlichen Möglichkeiten anhand der wiederholten Situationsbeschreibung des auf einem Stuhl sitzenden Körpers.)

 

Besitzerinnen

Thema dieser Serie ist die auf einem weißen Küchenstuhl sitzende Figur und ein Spiel mit klassischen Posen. Abstraktion wird durch Weglassen erreicht.

Erstmals befindet sich der ganze Körper auf dem Bildträger formuliert. Wieder ist er vom „besessenen“ Sessel beschnitten, allerdings bekommen Sessel und Hintergrund keine weitere Farbe zugeteilt, sie bleiben als grundierte Leinwand belassen. Der Körper genügt sich teilweise schon im ausgemalten Fragment. Neu ist die Darstellung eines Gesichtes, das aber konturlos bleibt, sich als Fläche von Haut nicht aufdrängt, aber durch seine Unbestimmtheit an Intensität und Ausdruckskraft gewinnt. Das Gesicht ist eine Fläche des Körpers, und der Körper wird zum Gesicht.

Diese Bilder und die dargestellten Körper leben von der Struktur der Grundierung, die Unregelmäßigkeiten aufzeigt, die der hauchdünn aufgetragenen, dünngewischten Farbfläche fehlt und eine große Transparenz und Tiefe innerhalb des Körpers zur Folge hat. (Das Finden dieser Lösung für die Darstellung von Haut freut mich sehr, da die sonst üblichen Lösungsversuche dieses Jahrhunderts mit expressiven, farb- und fettvollen Gesten meinem Eindruck von Haut nicht entsprechen.) Die so gemalte Haut scheint genauso verletzlich zu sein wie menschliche Haut, und die dünnen Farbschichten werden genauso schnell bleichen und an Farbkraft verlieren, wie natürliche Haut altert.

Der Raum beginnt sich in kalten und warmen Flächen zu formulieren: So wie in den S.Ps. das Gesicht hängt jetzt der Körper zwischen zwei Farbflächen, die hier vom Stuhl strukturiert sind.

 

„Leander schläft“

Seit 1998 war und ist das Selbstportrait mein zentrales Thema. Die Geburt meines Sohnes hat mich dann zu einer Serie von Stillbildern angeregt, in denen sich das Beziehungsfeld zwischen Mutter und Kind erschließt. Als solches greife ich hier eines der ältesten Themen der bildenden Kunst auf, untraditioneller Weise zeigt sich die Szene jedoch aus der Sicht der Mutter selbst. Das Kind ist den Selbstportraits ähnlich ins Bild gesetzt und beschreibt sich selbst in seiner Haltung zu Kleid und Brust der Mutter.

»L. schläft«, Rötel/Papier, A3, 2005
»L. schläft«, Rötel/Papier, A3, 2005

Der Mittagsschlaf meines Sohnes ist mittlerweile zu meiner fixen Arbeitsphase geworden, in der er mir als Modell zur Verfügung steht. Nach den symbiotischen Stillbildern läßt die Serie „Leander schläft“ das Kind eigenständig werden.